Cannabinoide, das Endocannabinoid-System (ECS) und ihre Wirkungen auf Körper und Psyche sind in den letzten Jahren vermehrt in den Fokus von Forschung, Medizin und Gesellschaft gerückt. Doch was genau sind Cannabinoide? Wie funktionieren sie im Körper? Und welche entscheidende Rolle spielt dabei das Endocannabinoid-System? In diesem Beitrag geben wir dir einen umfassenden Überblick und zeigen, was die Wissenschaft heute über Cannabinoide und unser Endocannabinoid-System weiß.
Was sind Cannabinoide?
Endogene, pflanzliche und synthetische Cannabinoide
Der Begriff „Cannabinoide“ umfasst eine Gruppe chemischer Verbindungen, die auf bestimmte Rezeptoren im menschlichen Körper wirken, vor allem auf die sogenannten CB1- und CB2-Rezeptoren. Man unterscheidet grundsätzlich drei Arten:
1. Endocannabinoide: Diese produziert unser Körper selbst. Zu den wichtigsten zählen Anandamid und 2-Arachidonoylglycerol (2-AG). Sie helfen, das innere Gleichgewicht – die sogenannte Homöostase – zu regulieren. Ihr Einfluss reicht von der Schmerzverarbeitung über den Appetit bis hin zur Stimmung.
2. Phytocannabinoide: Diese stammen aus der Cannabispflanze. Die bekanntesten sind THC (Tetrahydrocannabinol) und CBD (Cannabidiol), aber auch CBG, CBC oder CBN gewinnen in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung. Phytocannabinoide ähneln in ihrer Struktur unseren körpereigenen Cannabinoiden, was erklärt, warum sie ähnliche Wirkungen entfalten können.
3. Synthetische Cannabinoide: Im Labor hergestellte Verbindungen, die Cannabinoid-Rezeptoren ebenfalls beeinflussen, aber sehr oft deutlich stärker als natürliche Varianten. Viele dieser Stoffe sind pharmakologisch wirksam, aber auch potenziell gefährlich und in vielen Ländern verboten oder streng reguliert.
Das Endocannabinoid-System (ECS)
Aufbau und Funktion des ECS
Das Endocannabinoid-System ist ein biologisches Regulationssystem, das sich über fast den gesamten Körper erstreckt. Es besteht aus drei zentralen Komponenten:
Endocannabinoide (z. B. Anandamid, 2-AG)
Cannabinoid-Rezeptoren (CB1 und CB2)
Enzyme, die für den Abbau und die Herstellung der Endocannabinoide zuständig sind (z. B. FAAH, MAGL)
CB1- und CB2-Rezeptoren
CB1-Rezeptoren: Das Bindeglied zwischen Cannabis und dem Nervensystem
CB1-Rezeptoren sind ein zentraler Bestandteil unseres Endocannabinoid-Systems und vor allem im Gehirn und zentralen Nervensystem aktiv. Sie spielen eine entscheidende Rolle bei der Steuerung von Prozessen wie Schmerzempfinden, Stimmung, Appetit, Gedächtnis und motorischer Kontrolle. Wenn Cannabinoide wie THC auf CB1-Rezeptoren treffen, kommt es zu den typischen psychoaktiven Effekten – also genau dem „High“, das viele mit Cannabis verbinden.
Interessant ist: Unser Körper produziert auch selbst körpereigene Botenstoffe, sogenannte Endocannabinoide (wie Anandamid), die ebenfalls an CB1-Rezeptoren andocken. Die Rezeptoren agieren dabei wie eine Art Steuerzentrale – sie vermitteln zwischen verschiedenen Nervenzellen und helfen dem Körper, innere Gleichgewichte (Homöostase) zu erhalten.
Die Dichte der CB1-Rezeptoren im Gehirn erklärt auch, warum Cannabis so stark auf Psyche und Wahrnehmung wirken kann. Gleichzeitig bedeutet das aber auch, dass ein bewusster Umgang wichtig ist – insbesondere bei THC-haltigem Cannabis. Für die medizinische Anwendung, zum Beispiel bei chronischen Schmerzen oder neurologischen Erkrankungen, ist der CB1-Rezeptor daher ein bedeutender Forschungsansatz.
CB2-Rezeptoren: Der stille Held im Immunsystem
Während CB1-Rezeptoren vor allem im Gehirn aktiv sind, übernehmen CB2-Rezeptoren eine Schlüsselrolle im Immunsystem und in entzündungsbezogenen Prozessen. Man findet sie hauptsächlich auf Immunzellen, in der Milz, dem Magen-Darm-Trakt sowie im peripheren Nervensystem. Ihre Aktivierung steht im Zusammenhang mit der Regulation von Entzündungen, Schmerzempfindung und sogar der Wundheilung.
CBD – das nicht-psychoaktive Cannabinoid aus der Hanfpflanze – wirkt unter anderem über den CB2-Rezeptor. Es wird vermutet, dass CBD die Aktivität dieses Rezeptors moduliert und so zur Linderung chronischer Entzündungen, Autoimmunerkrankungen oder auch bei Hautproblemen beitragen kann. Anders als CB1-Rezeptoren lösen CB2-Rezeptoren jedoch keine berauschenden Effekte aus – deshalb ist ihre therapeutische Nutzung besonders interessant.
Die Forschung steckt zwar noch in den Kinderschuhen, doch CB2 gilt zunehmend als vielversprechendes Ziel in der medizinischen Cannabisforschung. Ob bei Arthritis, Darmerkrankungen oder neuroinflammatorischen Prozessen – CB2-Rezeptoren könnten der Schlüssel zu neuen, sanften Therapieansätzen sein, ganz ohne High, aber mit viel Potenzial.
Aufgaben und Bedeutung des ECS
Das ECS wirkt wie ein körpereigenes Steuerungssystem, das ständig darauf achtet, wichtige physiologische Prozesse im Gleichgewicht zu halten. Dazu zählen:
Regulierung von Appetit und Verdauung
Steuerung von Schlafzyklen
Einfluss auf Stimmung und Emotionen
Regulation des Schmerzempfindens
Immunantwort und Entzündungshemmung
Ein gut funktionierendes ECS trägt maßgeblich zum allgemeinen Wohlbefinden bei. Störungen oder ein Ungleichgewicht im Endocannabinoid-System werden mit verschiedenen Erkrankungen in Verbindung gebracht, darunter Depressionen, chronische Schmerzen, Migräne, Reizdarmsyndrom oder Autoimmunerkrankungen.

THC – das berauschende Cannabinoid
Tetrahydrocannabinol (THC) ist das bekannteste Cannabinoid der Cannabispflanze – und zugleich dasjenige mit psychoaktiver Wirkung. Es bindet sich in erster Linie an CB1-Rezeptoren im Gehirn, wodurch es Euphorie, veränderte Wahrnehmung, gesteigerte Kreativität, aber auch Nebenwirkungen wie Angst oder Paranoia auslösen kann. Darüber hinaus hat THC eine schmerzlindernde, appetitanregende und muskelentspannende Wirkung. Genau deshalb wird es auch medizinisch eingesetzt – etwa bei chronischen Schmerzen, Übelkeit durch Chemotherapie oder Appetitverlust bei HIV/AIDS.
Die Wirkung von THC ist stark dosisabhängig und individuell unterschiedlich. Während manche Menschen eine beruhigende und meditative Erfahrung erleben, kann es bei anderen zu Nervosität oder Unruhe kommen. Langfristiger und übermäßiger Konsum kann zu Toleranzbildung, psychischer Abhängigkeit und kognitiven Einschränkungen führen. Trotzdem bleibt THC ein zentrales Thema in der medizinischen Cannabisforschung – mit großem Potenzial für viele Therapieansätze.
CBD – das vielseitige Nicht-Rauschmittel
Im Gegensatz zu THC hat Cannabidiol (CBD) keine berauschende Wirkung. Es bindet sich nicht direkt an CB1- oder CB2-Rezeptoren, sondern moduliert deren Aktivität indirekt. So kann es beispielsweise die Wirkung von THC abschwächen oder entzündungshemmende Prozesse unterstützen. CBD wirkt angstlösend, antipsychotisch, entkrampfend und schlaffördernd – ohne die bekannten Nebenwirkungen psychoaktiver Substanzen.
In den letzten Jahren hat CBD einen wahren Boom erlebt – sowohl in der Selbstmedikation als auch in der wissenschaftlichen Forschung. Es wird bei zahlreichen Beschwerden eingesetzt, etwa bei Angststörungen, Schlafproblemen, Epilepsie (z. B. Dravet-Syndrom), chronischen Schmerzen oder Hauterkrankungen wie Akne und Neurodermitis. Studien deuten darauf hin, dass CBD auch neuroprotektive Eigenschaften besitzt, also Nervenzellen schützen kann.
Ein weiterer Vorteil: CBD gilt als gut verträglich, mit nur wenigen bekannten Nebenwirkungen wie Müdigkeit, Mundtrockenheit oder leichtem Schwindel. Dennoch ist die Qualität der Produkte entscheidend – denn nur standardisierte, laborgeprüfte Extrakte liefern die gewünschten Effekte zuverlässig.
Weitere relevante Cannabinoide im Überblick
CBG (Cannabigerol)
CBG wird oft als „Mutter“ vieler anderer Cannabinoide bezeichnet, da es die Vorstufe von THC, CBD und CBC ist. Es hat selbst antibakterielle, entzündungshemmende und möglicherweise neuroprotektive Eigenschaften. Erste Studien untersuchen CBG auch im Zusammenhang mit Augenerkrankungen wie grünem Star (Glaukom) und entzündlichen Darmerkrankungen.
CBC (Cannabichromen)
Cannabichromen ist ein weniger bekanntes Cannabinoid, das jedoch ebenfalls entzündungshemmend wirken kann. Es scheint Synergien mit anderen Cannabinoiden zu entfalten, was den sogenannten Entourage-Effekt unterstützt – also die Idee, dass mehrere Pflanzenstoffe gemeinsam wirksamer sind als isoliert.
CBN (Cannabinol)
CBN entsteht durch den Abbau von THC – oft in älteren oder schlecht gelagerten Cannabisblüten. Es hat eine leicht sedierende Wirkung und wird in Produkten zur Förderung des Schlafs verwendet. Auch antientzündliche und antibakterielle Eigenschaften werden ihm zugeschrieben.

Das Zusammenspiel: Der Entourage-Effekt
Der sogenannte Entourage-Effekt beschreibt das Phänomen, dass die Kombination mehrerer Cannabinoide und Terpene eine stärkere oder ausgewogenere Wirkung erzielt als einzelne isolierte Verbindungen. Dieser Effekt wird oft bei Vollspektrum-Extrakten genutzt, die neben THC oder CBD auch andere Cannabinoide, Flavonoide und aromatische Terpene enthalten. Das Zusammenspiel kann zum Beispiel die Wirkung von THC abmildern oder CBD in seiner entzündungshemmenden Wirkung verstärken. Aus therapeutischer Sicht ist dieser Effekt besonders spannend – er spricht dafür, Cannabis in seiner natürlichen Komplexität zu nutzen, statt auf isolierte Wirkstoffe zu setzen.
Warum Cannabinoide und das ECS so wichtig sind
Das Endocannabinoid-System ist ein zentraler Bestandteil unserer physiologischen Balance – ein biologisches Netzwerk, das viele Körperfunktionen im Gleichgewicht hält. Cannabinoide, ob körpereigen oder pflanzlich, beeinflussen dieses System gezielt und bieten dadurch viele Möglichkeiten für medizinische Anwendungen. Besonders THC und CBD stehen im Mittelpunkt der Forschung, aber auch weniger bekannte Cannabinoide wie CBG, CBC oder CBN zeigen großes Potenzial.
Wer das Zusammenspiel von Cannabinoiden und dem ECS versteht, kann die Wirkungen von Cannabisprodukten besser einschätzen und gezielter einsetzen – sei es zur Entspannung, zur Linderung chronischer Beschwerden oder als Teil einer ganzheitlichen Therapie.
Bei Growmiez halten wir dich mit praxisnahen Infos und wissenschaftlich fundiertem Wissen rund um Cannabis, Cannabinoide und das Endocannabinoid-System auf dem Laufenden. Egal ob medizinisch interessiert, Patient oder Hobby-Grower – mit dem richtigen Wissen triffst du bessere Entscheidungen